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Shift from Tech to Mindset

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Hochschuldidaktik hat spätestens seit Bologna den zentralen Auftrag: den „shift from teaching to learning“ zu gestalten und zu begleiten. Damit hat ein Prozess begonnen, in dem Lehrende ihre Veranstaltungen studierendenzentriert und lernzielorientiert planen und durchführen. Lehre wird nicht länger als Einbahnstraße verstanden, sondern als Austausch und gemeinsames Erarbeiten, um so zu einem vertieften Verständnis von Inhalten zu gelangen. Dieser Ansatz hat etablierte Strukturen in der universitären Lehre auf den Prüfstand gestellt und wird in der gegenwärtigen hochschuldidaktischen Praxis als selbstverständlich vorausgesetzt. Analog zu den Anfängen dieses Prozesses verstehen wir von der Hochschuldidaktik der Universität Siegen gegenwärtig die Digitalisierung der Lehre als „shift from tech to mindset“.

Zusammen mit dem Begriff der Digitalisierung geht auch immer wieder das Gespenst einer Universität ohne Studierende um, die Lehre und Lernen von der sozialen Interaktion entkoppelt. Besonders Videos spielen eine Hauptrolle in diesem Szenario. Würden jedoch sämtliche Präsenzveranstaltungen in ein Videoformat übertragen, könnte man eben nur von einem Medienwechsel sprechen, einem Ersatz. Digitalisierung bedeutet aber weitaus mehr als Ersatz. Es ist damit die Durchdringung von bestehenden Konzepten und Methoden gemeint. Diese Durchdringung darf aber eben nicht bedeuten, dass alles online gestellt wird und keiner mehr anzureisen braucht. Vielmehr geht es darum zu erkennen, dass digitale Elemente Teile unserer Lehre unterstützend bereichern, um so Raum für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Inhalten zu ermöglichen, die wiederum dem Lernerfolg der Studierenden zugutekommen. Deshalb muss es unser Ziel sein unsere Lehre vor dem Hintergrund der Möglichkeiten der Digitalisierung zu reflektieren sowie zum Zwecke eines gesteigerten Lernerfolgs der Studierenden aktiv und unter kollaborativen Aspekten zu gestalten.

Eine Konkurrenzsituation zwischen ´click´ und ´brick´ lenkt von der eigentlich notwendigen Diskussion ab. Digitalisierung hält nicht die Studierenden und Lehrenden von Universitäten fern, im Gegenteil: diejenigen, die Präsenzveranstaltungen besuchen, sollen an einer lebendigen Wissenserschließung teilnehmen können und so Gelegenheit haben kontinuierlich die eigenen Lernfortschritte zu reflektieren. Das stellt Universitäten vor die Herausforderung, die Präsenzphasen neu zu denken, um so ein wechselseitig aufeinander abgestimmtes Lehr-/Lernkonzept den Studierenden der Gegenwart und Zukunft vorzuhalten. Ganz zu schweigen von dem dafür erforderlichen infrastrukturellen Ausbau, z.B. in den Medienzentren.

Selbstverständlich stehen Videos bei den Studierenden hoch im Kurs und werden gewünscht, wie die Studierendenbefragung an der Universität Siegen 2017 wenig überraschend bestätigt hat. Im Sinne der von uns verstandenen Digitalisierung darf es aber nicht an dieser technisch orientierten Oberfläche allein bleiben. Die digitale Bereitstellung von Inhalten muss gezielt und geplant erfolgen und eine Veränderung des didaktischen Settings in der Präsenzveranstaltung nach sich ziehen, um den Lernerfolg zu unterstützen. Schulmeister und Loviscach fragen in einem Beitrag zu Mythen der Digitalisierung:

Wenn sie mit ein bis zwei Wochen Vorbereitung in der „heißen Phase“, in der sie auch die angebotenen digitalen Medien heftig nutzen, die Prüfungen bestehen können, warum sollten sie dann während der gesamten Vorlesungszeit Beiträge in Blogs posten, kollaborativ an einem Online-Text arbeiten oder sich mit Videos auf Unterrichtsstunden vorbereiten?

Deshalb müssen wir in der Lehre den Status Quo hinterfragen. Nur weil etwas technisch möglich ist und kurzfristig Abhilfe schafft, heißt das nicht, dass damit automatisch die gewünschten Ergebnisse erreicht werden oder gar die Lehre verbessert wird. Das wiederum führt unmittelbar zu der Frage, ob hier der Studiererfolg oder der kompetenzorientierte Lernerfolg der Studierenden unterstützt wird.
Es geht also gar nicht so viel um Technik, sondern vielmehr um die Haltung zur Lehre. „Didactics must drive technology – not vice versa“ lautet der vielzitierte Satz von Aaron Sams, wenn es um digital angereicherte Lehre geht. Und deshalb geht es jetzt darum den „shift from tech to mindset“ zu vollziehen, um den Lernerfolg der Studierenden zu unterstützen.

Derzeit scheint das Inverted Classroom Modell (ICM) die vielversprechendste Methode zu sein, um die Digitalisierung der Lehre voranzutreiben. Hier dient die Präsenzveranstaltung einer vertiefenden und praxisnahen Auseinandersetzung, während die Grundlagen dafür in medial aufbereiteten Lerneinheiten von den Studierenden vorbereitet werden. Aber auch andere digitale Hilfsmittel ermöglichen mittlerweile eine kooperative Gestaltung der Präsenzveranstaltungen, so dass die soziale Interaktion – ein wesentliches Kennzeichnen der Digitalisierung – unterstützt wird.

Die Digitalisierung durchdringt bereits viele unserer Lebensreiche, so ist es nur naheliegend, dass sie auch unsere Jobs in der Lehre verändert. Die Jobs in der Lehre werden deshalb aber nicht wegrationalisiert. Digitalisierung ist nicht „das Böse“ und die Lehrenden sind nicht auf die Rolle des passiven Zuschauers festgelegt. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung eine Fülle an Möglichkeiten bestehende Lehr-Lernszenarien zu verbessern und zu vereinfachen.

Tweet von Prof. Dr. Jürgen Handke (Uni Marburg)

Funktionierende Konzepte, allen voran das Inverted Classroom Model, liegen dafür vor und werden seit Jahren bei engagierten Lehrenden erprobt und weiterentwickelt. Diese Lehrenden stellen die Inhalte sogar frei und offen zur Verfügung, sodass andere Lehrende sich ein Bild davon machen können, wie dies vonstatten geht. Es wird also nicht reichen an der eigenen Universität zu schauen, was alles passiert. Der Blick muss nach außen gehen, um das was wir selber erarbeitet haben zu reflektieren. Gleichzeitig ist es hilfreich die eigenen Initiativen nach außen zu kommunizieren, um auch externen Lehrenden Anlass zur Auseinandersetzung zu bieten. Denn fest steht auch, dass die Digitalisierung nicht automatisch gut ist. Sie bedarf eines kompetenten und reflektierten Einsatzes und muss aktiv von den Lehrenden selber gestaltet werden. Auf jeden Fall kann die Losung nicht länger lauten: Wie kriegen wir Digitalisierung weg oder wie können wir sie vermeiden? Ebenso wenig können wir warten, was sich durchsetzt. Vielmehr müssen wir Lehrende und letztlich auch Studierende in die Lage versetzen mit jedweder Technik umgehen zu lernen und über deren sinnvollen Einsatz reflektiert entscheiden zu können. Nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft.

Literaturhinweise
  1. Johannes Wildt. “The Shift from Teaching to Learning” -Thesen zum Wandel der Lernkultur in modularisierten Studienstrukturen (https://www.htw-berlin.de/files/Presse/News/Shift_from_Teaching_to_Learning_Thesen_zum_Wandel.pdf )
  2. Michael Jäckel. Der Campus und die Digitalisierung: So sieht die Universität der Zukunft aus. In: Hochschulforum Digitalisierung.https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/der-campus-und-die-digitalisierung-so-sieht-die-universitaet-der-zukunft-aus
  3. Rolf Schulmeister und Jörn Loviscach. Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen. In: Christian Leineweber/Claudia de Witt (Hrsg.): Digitale Transformation im Diskurs
  4. Jürgen Handke. Mehrwerte durch Digitalisierung? Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=XaupfCKSKfk
  5. Felix Stalder. Grundformen der Digitalität. In Agora 42. Quelle: http://felix.openflows.com/node/429

Ansprechperson / Lehrende

ALEXANDER SCHNÜCKER​

Zentrum zur Förderung der Hochschullehre
Mail: alexander.schnuecker@hd.uni-siegen.de

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